Bei Glen Fahrn sind wir stets auf der Suche nach dem Spannendsten, was die Brennblasen und Fässer dieser Welt zu bieten haben. Diese niemals endende Reise führt uns ab und zu auch in Gegenden, an die man für die jeweilige Spirituose im ersten Moment gar nicht gedacht hätte.
So zog es uns 2023 nach Tel Aviv, wo 10 Jahre zuvor Israels erste Whisky Destillerie das Licht der Welt erblickt hat: M&H (Milk & Honey). Kein geringerer als der 2017 leider verstorbene Experte Dr. Jim Swan wurde engagiert, um die enthusiastische Gruppe um Gal Kalkshtein bei diesem ambitionierten Projekt zu begleiten. Schliesslich musste nicht nur eine Destillerie, sondern im Grunde eine ganze Branche aufgebaut werden, da Whisky in der Region bis anhin keine besonders grosse Rolle gespielt hatte. Jim Swan war eine Koryphäe wenn es um Whiskyproduktion unter heissen klimatischen Bedingungen geht und hat unter anderem die Fassreifungstechnik STR (shave-toast-recharr) entwickelt.
Mitten in der Stadt Tel Aviv, nur einen Steinwurf entfernt vom Bloomfield Fussball-Stadion, steht die M&H Distillery ganz unscheinbar und wenig auffällig, eingebettet in einen Riegel von Gewerbegebäuden. Keine hunderte Jahre alten Steingemäuer und keine schottischen Hochlandrinder, sondern einfach nur eine schlichte, gelb-umrahmte Eingangstür, hinter der sich eine Whiskywelt verbirgt, die so erfrischend puristisch und ursprünglich ist, wie man sie in den heute für den Tourismus oft auf Hochglanz polierten Destillerien Schottlands kaum mehr vorfindet. Bitte nicht falsch verstehen, das eine ist sicher nicht besser oder schlechter als das andere – es ist eben einfach nur anders und das ist schön so.
Das liebevoll mit viel Handarbeit gestaltete kleine Besucherzentrum bietet Platz für Tastings und einen kleinen Shop. Auf engstem Raum liegen in den Lagerhallen hunderte Fässer. Kreuz und quer, von oben bis unten. Schnell wird uns klar, warum das Warehouse-Team hier auch als die "Cask Ninjas" bezeichnet wird. Denn wer sich hier fortbewegen will, sollte agil und gut im Klettern sein. Aber Spass beiseite. Die Vielfalt verschiedener Fässer ist eindrücklich und zeigt die Experimentierfreudigkeit des Teams um Master Distiller Tomer Goren. Belohnt wurde dies unter anderem im Jahr 2023, mit einer der höchsten Auszeichnungen, die eine Destillerie bekommen kann: World’s Best Single Malt Whisky an den World Whisky Awards. Dies nota bene nicht etwa wie so häufig mit einer limitierten Sonderabfüllung, sondern mit dem M&H Elements Sherry Cask, einem Whisky aus der Elements Reihe, die das Kernsortiment der Destillerie bildet.
Während Whisky in den meisten Ländern über die Jahre an Alkoholgehalt verliert, bleibt der von M&H Fässern erstaunlich stabil und steigt häufig sogar. Die Umgebungsluft ist so heiss und trocken, dass oft mehr Wasser als Alkohol aus dem Fass "gesaugt" wird. Dieses Phänomen kennt man auch von Rickhouses in heissen Gebieten der USA, wie z.B. Texas. Der Angel's Share ist unter den klimatischen Bedingungen in Israel enorm: durchschnittlich 12% Verlust pro Jahr und im Falle der Fässer, die auf -430m am Toten Meer lagern, beträgt er sogar bis zu unglaubliche 40%! Letzteres erschien uns dann doch weniger unglaublich, als das Thermometer bei unserem Besuch vor Ort 44 Grad anzeigte und wir die im Freien gelagerten, lediglich durch ein Dach beschatteten Fässer sahen. Wer hätte gedacht, dass es so viel durstigere Engel gibt als die schottischen?
Die Whiskies von M&H sind entsprechend intensiv und kraftvoll. Wer es sanfter mag, muss aber deshalb nicht die Finger davon lassen, denn durch die Zugabe von Wasser werden sie überaus handzahm. Sie vertragen sogar jede Menge Wasser, ohne dabei flach zu werden. Man könnte beinah von einem Whiskykonzentrat sprechen.
Selten haben wir einen Whisky getrunken, der seine Herkunft so sehr ins Glas bringt. M&H Single Malt ist ein Whisky wie seine Geburtsstadt Tel Aviv: lebendig, vielseitig und wandelbar, dabei stets authentisch und lebensfroh. Kurzum, ein wundervolles, einzigartiges Erlebnis.
Was wir bei unserem mehrtägigen Besuch an diesem besonderen Ort erleben durften, war in so vielerlei Hinsicht bereichernd, dass der Abschied äusserst schwer viel: ein herzliches und gastfreundliches Team von Enthusiasten und Frohnaturen, die unter Bedingungen Whisky kreieren, wie man sie wohl kaum ein zweites Mal auf der Welt vorfindet.